Eigentlich sind die Deutschen stets auf der Suche nach profitablen Geschäften. Über Jahre hinweg haben sie sich darüber aufgeregt, dass Giro- und Sparkonten keine Zinsen mehr abwerfen. In Zeiten von Negativzinsen haben die Bürger vermehrt Bargeld zuhause aufbewahrt, sei es im Tresor oder in der Schreibtischschublade, um den von der Notenbank auferlegten „Strafzins“ zu umgehen. Das erschien vernünftig. Mittlerweile hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Nullzinspolitik jedoch beendet und seit Juli 2022 den Leitzins deutlich auf 3,5 Prozent angehoben. Viele Banken ziehen ebenfalls nach und es gibt wieder etwas für das Ersparte. Doch was machen einige Deutsche? Sie verzichten darauf, wie ein Blick auf die Bargeldbestände im Land zeigt: Die Privatpersonen hierzulande haben mehr Bargeld zuhause als zu Zeiten ohne Zinsen.
Bargeldbestände in Deutschland sind gigantisch
„Im Jahr 2022 erreichte der Bargeldbestand mit etwa 436,8 Milliarden Euro einen Rekordstand. Das entspricht einem Zufluss von 52,4 Milliarden Euro im Vergleich zu 2021“, ergibt eine Analyse des Beratungsunternehmens Barkow Consulting im Auftrag des Vermögensverwalters Whitebox. „Jeder, der sein Geld zuhause hortet, verliert zwangsläufig einen Teil seiner Ersparnisse durch die Inflation“, sagt Salome Preiswerk, Geschäftsführerin von Whitebox. Den Deutschen entgingen allein im vergangenen Jahr fast 20 Milliarden Euro aufgrund der Geldentwertung – ein Negativrekord. Im Jahr 2021 betrug der reale Wertverlust noch sieben Milliarden Euro und 2020 lediglich 900 Millionen Euro.
Doch warum verzichten viele auf mögliche Zinserträge, insbesondere in einer Zeit, in der die Inflation zeitweise so hoch ist wie seit 50 Jahren nicht mehr? Darauf kann nur spekuliert werden: Einige haben vielleicht aufgrund ihrer finanziell komfortablen Lage schlichtweg vergessen, dass sie Bargeld gehortet haben – sie vermissen es einfach nicht. Oder noch ärgerlicher, sie haben den Ort ihres Verstecks vergessen. Andere möchten möglicherweise aufgrund der weltweiten politischen Lage mehr Bargeld zuhause haben, um die Furcht vor russischen Cyberangriffen auf den Bankensektor oder die Stromversorgung besser bewältigen zu können. Darüber hinaus gelten die Deutschen ohnehin als konservative Anleger. Aktien werden von vielen immer noch abgelehnt, da sie als zu riskant gelten. Vielleicht schleppt sich auch nicht jeder mit dicken Bündeln Bargeld zur Bank, wenn die Zinsen bei 2,5 Prozent liegen, zumal das Restrisiko besteht, unterwegs überfallen zu werden oder am Schalter mit unangenehmen Fragen konfrontiert zu werden.
Dennoch bleibt das Verhalten der Sparer rätselhaft. Schließlich haben die deutschen Banken, deren Verhältnis zu ihren Kunden nicht immer ungetrübt ist, ihre Bargeldreserven bei der Leitzinsänderung sofort auf ihre Konten bei der EZB zurückgeführt, um den Einlagenzins zu kassieren. Dadurch machen sie gute und risikolose Geschäfte. Und die Sparer möchten daran wirklich nicht teilhaben? Wer noch Bargeld zuhause hat und jetzt ins Grübeln kommt, weiß, was zu tun ist: Festgeld wird gerade wieder interessant! Angesichts der Inflation wäre natürlich auch ein Investment in Gold denkbar. Es hängt, wie immer, vom Risikoverhalten des Anlegers und der Einschätzung der Zukunft ab.